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Wie führen Chefs in der neuen Arbeitswelt?

Die Corona-Krise hat die Grundlagen unseres gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Miteinanders erschüttert, auf unbestimmte Zeit. Wir erleben einen tiefgreifenden Wandel unseres Alltags und der Welt, wie wir sie kannten – zugleich aber auch die Öffnung völlig neuer Möglichkeitsräume. Plötzlich erhalten alternative Formen des Wirtschaftens Auftrieb, die zuvor eher in Nischen existierten. Geschäftlicher Erfolg wird mit neuen Maßstäben gemessen und neu bewertet. Stellt sich nur die Frage: Wie gehen Führungskräfte in der jetzigen Situation am besten damit um?

Dass sich unsere Arbeitswelt zunehmend wandelt, war auch vor der Corona-Krise schon zu beobachten: Digitalisierung, Generationswechsel und Fachkräftemangel haben weite Teile der Wirtschaft massiv verändert, so dass sich viele Chefinnen und Chefs bereits seit geraumer Zeit vor völlig neue Herausforderungen gestellt sehen. Schritt für Schritt lösen innovative New-Work-Ansätze aus der Start-up-Szene tradierte Managementsysteme der Old Economy ab (siehe auch meinen Blog vom April 2018 „(R)evolution der Unternehmenskultur“).

In zahlreichen Unternehmen beschleunigt die Corona-Pandemie jetzt noch zusätzlich den Einzug von Führungsthemen, die auf Transparenz, Selbstorganisation und Teilhabe setzen.

 

Eine besondere Herangehensweise nennt sich „Gamification“ oder „Gamifizierung“, weil sie spielerisch wie beim Mannschaftssport erfolgt. Überzeugende Impulse kommen von dem Amerikaner Jack Stack. Er ist Erfinder von „The Great Game of Business“, einem genial einfachen, aber sehr erfolgreichen System für Organisationsentwicklung.

Stabile Umsatzentwicklung – trotz Corona

Da sich inhabergeführte Qualitätsbetriebe in dienstleistungsorientierten Branchen mit ihren Teams ausgesprochen gut für diesen Führungsansatz eignen, nutzen ihn fortschrittlich ausgerichtete Unternehmen schon seit einiger Zeit und verbessern ihre Performance damit in unterschiedlichsten Arbeitsbereichen. Besonders erfreulich: Diese Betriebe haben sich bislang auch erstaunlich gut in der Corona-Krise geschlagen. Wirtschaftliche Verluste blieben weitgehend aus. Ganz im Gegenteil konnten die meisten Geschäfte bei Absatz und Umsatz sogar zulegen.

Gamifizierung basiert auf den Erkenntnissen der Sozial- und Sportpsychologie. Die Prinzipien des Teamsports werden auf die Unternehmensorganisation übertragen. Was aber genau verbirgt sich hinter diesem Ansatz? Welchen Nutzen haben sowohl Inhaber und Chefs als auch die Mitarbeiter in den Unternehmen? Welche Ziele lassen sich damit verfolgen?

Verantwortung teilen

In den Gamification-Prozessen wird Verantwortung geteilt. Sie obliegt in den einzelnen Unternehmenssparten nun nicht mehr allein dem Chef. Auch Mitarbeiter „führen“ Projekte, in denen sie mit dem gesamten Team Fortschritte erzielen wollen – und werden damit selbst zu „Chefs“ in ihrem jeweiligen Aufgabenbereich. Sie partizipieren damit viel stärker am betrieblichen Geschehen als üblich. Ihrer naturgegebenen Motivation, einen positiven Beitrag für das große Ganze zu leisten, können sie dadurch ungehinderter folgen.

Kundennutzen steigern

Der spielerische Führungsansatz hat stets den Kundennutzen im Fokus. Sämtliche Aktivitäten sind darauf ausgerichtet, die Qualität des eigenen Leistungsangebots aus Sicht der Kunden zu steigern. Das gilt insbesondere für die vielfältigen Beratungs- und Serviceleistungen. Da hier niemals ein Zustand erreicht ist, der nicht noch weiter verbessert werden könnte, besteht fortwährender Handlungsbedarf.

Transparenz schaffen

Ohne Transparenz agieren Führungskräfte wie Blindenführer. Deshalb ist das Prinzip des „Open Book Management“ untrennbar mit Gamification verknüpft. Man stelle sich einmal vor, dass in einem Fußballspiel nur einer im Team weiß, wie es gerade steht und von elf Spielern acht die Regeln nicht kennen. Wie soll das funktionieren? Ist der aktuelle Spielstand allen Teammitgliedern bekannt, werden automatisch bessere Entscheidungen getroffen.

Die „Anzeigetafel“ für den Spielstand im Unternehmen ist deshalb auch keine langweilige Excel-Tabelle, die auf irgendeinem Server schlummert. Damit alle wissen, ob der Betrieb gerade gewinnt oder verliert, werden die Ergebnisse prominent an einem zentralen Ort im Unternehmen veröffentlicht, damit das komplette Team sie jederzeit sieht.

Kennzahlen verbessern

Grundsätzlich kann man auf jedes Ziel spielen, das sich in einer Kennzahl ausdrücken und dessen Ergebnis sich aus eigener Kraft erreichen lässt. Das können zum einen Hard Facts wie beispielsweise die Lagerumschlagsgeschwindigkeit sein. Zum anderen aber auch „weiche“ Kennzahlen, die effizientere Abläufe in der Organisation verfolgen und das Arbeitsleben erleichtern sollen.

Eine Voraussetzung muss allerdings immer gegeben sein: Es werden keine Einzelergebnisse gemessen und niemals Menschen gegeneinander ausgespielt. Stets spielt man im Team gegen eine Kennzahl.

Innovationen anstoßen

Auch Ideen und Vorschläge für Schulungsthemen oder innovative Problemlösungen für Kunden lassen sich durch Gamifizierung leichter anstoßen. Da diesbezüglich in der Regel selten versucht wird, die kollektive Intelligenz anzuzapfen, liegt dieses Potenzial weitgehend brach. Leider trauen immer noch zu viele Chefs ihren Mitarbeitern nicht wirklich zu, etwas zur Zukunft des Unternehmens beizutragen. Gamifikation hebt den ungeheuren Schatz an Ideen und Einsatzwillen der Mitarbeiter, der ein riesiger Energiespeicher ist.

Teamgeist fördern

Gerade von erfolgreichen Sportteams lernen wir viel über Teamgeist und Siegeswillen. Nicht die beste Einzelleistung entscheidet, sondern das Zusammenwirken der gesamten Mannschaft, in der jeder seine eigene Rolle und die der anderen Kollegen genau kennt. Wenn alle Mitarbeiter die Strategie, Vision und Regeln verstehen und unterstützen, organisieren sie sich automatisch von selbst – und ganz ohne Druck von oben.

Der spielerische Ansatz unterstützt damit eine Unternehmenskultur, in der sich alle auf gemeinsame Ziele fokussieren und sich gegenseitig helfen, herausfordern und antreiben. Kompetenzgerangel, Bürokratie und Zeitverschwendung geraten ins Abseits.

Leistung anerkennen

Alle haben den großen Wunsch, Anerkennung und Wertschätzung für gute Leistung zu bekommen. Der Mensch ist ein Sozialwesen durch und durch, das dringend auf positive soziale Resonanz angewiesen ist. Mitarbeiter brauchen weder Druck noch Kontrollen, um gute Arbeit zu leisten, sie wollen von Natur aus erfolgreich sein und als Team gewinnen.

Der spielerische Führungsansatz liefert diese Anerkennung, indem er gute Leistungen konsequent für alle sichtbar macht und belohnt. Nicht mit großartigen Geldprämien, sondern – je nach Ergebnis – mit mehr oder weniger umfangreichen Zuwendungen, über die sich die Teams viel mehr freuen als über Geld.

Erfolge feiern

Wenn die Ziele erreicht sind, wird selbstverständlich gebührend gefeiert. Dabei reflektieren die Teams, welche Erkenntnisse es gab und welche Auswirkungen das Spiel auf die finanzielle Situation des Unternehmens hatte. Auch wenn die Belohnung vielleicht lächerlich klein ist im Vergleich zum materiellen oder immateriellen Gewinn des Spiels, ist der motivierende Faktor nicht zu unterschätzen. Wir freuen uns in aller Regel nicht über die Prämie an sich, sondern über die Symbolik, die darin liegt. Menschen lernen am leichtesten durch positive Verstärkung. Darum müssen Erfolge gefeiert werden.

Gemeinsam gewinnen

Je mehr Klarheit, Transparenz und Rückkopplung es in einer Organisation gibt, desto weniger ist ein Eingreifen der Führung notwendig. Damit Menschen sinnvoll zusammenarbeiten können, brauchen sie Zielklarheit und komplette Transparenz über den Spielstand.

Alles, was Führungskräfte tun müssen, ist ausnahmslos allen Mitarbeitern zu vermitteln, wie das Spiel funktioniert und wie es steht – und ihnen dann zu erlauben, über Kompetenz- und Machtbereiche hinweg das Spiel zu spielen. Damit das Ergebnis für alle Menschen im Unternehmen zu einem Gewinn wird.


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