Blog

Mit Emotion zur Unternehmensvision

Entscheider und Organisationen, die sich mit eigenen Zukunftsbildern auf den Weg machen, gestalten eine bessere Welt von morgen. Warum ist eine Vision für Unternehmen mindestens genauso wichtig wie quantitative Ziele, wie geht man sie ganz konkret an? Und welche Rolle spielen Emotionen dabei?

In aller Regel werden Unternehmensvisionen von Marketingabteilungen erarbeitet. Auf der Webseite, in der Unternehmensbroschüre und anderen Kommunikationsmitteln sollen sie zeigen, dass eine Organisation professionell aufgestellt ist, sich mit ihrer Zukunft beschäftigt und ihre gesellschaftliche Verantwortung ernst nimmt. Die Unternehmensvision dient so vorrangig der Imagepflege. Auf Markt, Kunden und Mitarbeiter hat sie auf diese Weise allerdings keine große Wirkung – weil sie nicht aus dem Innenleben der Organisation mitgestaltet wird.

Visionen sollen Zukunftsbilder hervorrufen und es Organisationen ermöglichen, eine emotionale Identität und ein gemeinsames und einheitliches Selbstverständnis zu bestimmen, um das Denken und Handeln der Mitarbeiter im Alltag des Unternehmens auf ein Ziel auszurichten. Dazu muss die Vision in die Unternehmenskultur integriert sein und zur Aufgabe der strategischen Führung werden – und nicht die des Marketings. Nur so kann eine Vision Sinn vermitteln, motivieren und zusammenhalten. Schließlich zeigt sich der soziale Charakter von Visionen ja genau in der Aufgabe, Menschen miteinander zu verbinden.

Zahlen zählen – Bilder erzählen

Für Unternehmen sind quantitative Ziele notwendig, das verbindet sie mit Märkten. Zahlen übertragen jedoch weder Bedeutung noch Sinn – das wird gerade in Krisenzeiten gut sichtbar. Hingegen erweisen Visionen in solchen Phasen einen besonders wertvollen Dienst, da sie mit ihrer Sinnhaftigkeit ein Fundament bereitstellen, das auch in unsicheren Zeiten trägt. Zudem zeigen sie einen Ausweg aus der Krise, der eine Organisation retten kann. Menschen, denen der Sinn und die Bedeutung ihres Handelns fehlt, verlieren die Orientierung. Ist man sich als Unternehmen seiner inneren Kräfte bewusst und sieht, welche Einflüsse den Markt bestimmen, kann man ganz andere Schlussfolgerungen für die Strategie der Organisation ziehen als aus der puren Erkenntnis, dass die Zahlen steigen oder eben nicht. Visionen ermöglichen deshalb eine viel kreativere und differenziertere, aber auch effektivere Führung von Unternehmen, als es der bloße Blick auf die Zahlen erlaubt.

Eine Vision trägt auch in Krisenzeiten

Eine zukunftsorientierte Vision zu definieren ist nicht einfach. Die größte Herausforderung liegt darin, das Angebot und die Strategie des Unternehmens an sozioökonomische Entwicklungen zu koppeln. Was können wir tun, das den Menschen und der Gesellschaft von morgen in ihrer Entwicklung von Nutzen ist? Wie kann unser Angebot die Menschheit voranbringen? Visionen dürfen groß gedacht und idealistisch sein. Sie sind ein Ausdruck unseres Wunsches und unseres stetigen Bemühens, die Welt zu verbessern – sowohl unsere persönliche als auch unsere gemeinsame. Strategische Entscheidungen des Unternehmens orientieren sich dann am gesetzten Entwicklungsziel. So werden sie zur treibenden Kraft einer fortschrittsorientierten Gesellschaft.

Ja, wir leben in einer Zeit, in der es uns schwerfällt, konstruktiv in die Zukunft zu denken. Es herrscht Unsicherheit, die global um sich greift – sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik und Gesellschaft. Allerdings hat gerade die Start-up-Kultur der letzten Jahre gezeigt, dass insbesondere Unternehmer das Potenzial haben, neue Wege einzuschlagen. Sie verfügen über das Interesse, den Willen und die Ressourcen, um Menschen an ihre Ideen und Visionen zu binden. Und die Tatsache, dass wir unsere emotionalen Fähigkeiten noch nicht gezielt zur Organisationsentwicklung nutzen, stellt eine enorme Chance dar. Exakt diesen auf den ersten Blick vielleicht ungewöhnlichen Ansatz, Emotionen in das Entwickeln einer Unternehmensvision einfließen zu lassen, hat das Zukunftsinstitut (Frankfurt am Main) mit einer sehr fundierten Methode gewählt.

Gefühlsthemen sorgten im Business-Kontext bislang eher für Stirnrunzeln – das ändert sich jedoch in letzter Zeit, denn die Kraft der Emotionen macht vor der Geschäftswelt ja nicht halt. Immer öfter heißt es, „Fühlen ist das neue Führen“. Und auch in der Vergangenheit drehen sich so gut wie alle unternehmerischen Erfolgsgeschichten um Menschen mit Emotionen und individuellen Zukunftsbildern. Mit „Ein PC auf jedem Schreibtisch und in jedem Haushalt“ formulierte beispielsweise Bill Gates einst seine Vision von der Zukunft des Computers. Sie hat sich mehr als erfüllt. Zukunftsbilder zu entwickeln ist ein schöpferischer Akt, hinter dem stets ein schöpferisches Ich, ein Individuum steht. Ein fühlender und denkender Mensch mit Erwartungen, Hoffnungen, Ängsten und Wünschen. Emotionen sind auch deshalb eine unverzichtbare Grundlage für Zukunftsbilder, sowohl für kollektive als auch für individuelle. Eine Vision macht daher nicht nur für Organisationen Sinn, sondern auch für einzelne Personen oder Paare, die ganz bewusst ihren selbstbestimmten Weg gehen wollen.

Wirksame Visionen sind ohne Emotionen nicht möglich

Emotionen sind subjektiv – das trägt ihnen einen schlechten Ruf ein. Der Vorteil von Zahlen ist, dass sie eindeutig sind. Deshalb orientieren sich viele Unternehmen vorrangig an ihnen und vernachlässigen die Beobachtung von Emotionen. Nur: Krisen und Umbrüche deuten darauf hin, dass sich Markt- und Denkmuster verändern und es zu Verschiebungen, Brüchen und neuen Bedeutungen kommt, aus denen neue Muster entstehen. Um sie erfassen zu können, müssen wir in der Regel die Perspektive ändern. Ohne Emotionen geht das nicht, so gesehen sind sie ein Seismograph für Veränderungen. Sie zeigen an, dass etwas für uns relevant ist. Auf der einen Seite sind Gefühle also sehr persönliche Informationsträger und gleichzeitig Kräfte, die uns bewegen. In dem Begriff Emotion ist bereits das Wort „Motion“ enthalten, das sich aus dem Lateinischen „movere“ ableitet und „bewegen“ heißt. Emotionen bewegen uns daher im wahrsten Sinne des Wortes – manche vorwärts, andere zurück.

Das beste Beispiel dafür, dass Emotionen unser Business bestimmen, klingt in einem Begriff an, der mittlerweile in so gut wie alle Bereiche des unternehmerischen Denkens reicht: dem USP. Der USP (Unique Selling Proposition) bezeichnet das Alleinstellungsmerkmal eines Produktes, einer Marke oder einer Organisation. Die Aufgabe in der Alleinstellung besteht darin, die „Welt da draußen“ aus der subjektiven, emotionalen Haltung der eigenen Marken- und Organisationsphilosophie zu beschreiben, um daraus passende Produkte oder Services zu entwickeln und diese schließlich mit überzeugendem Design und tauglicher Kommunikation in alle nur erdenklichen Ecken und Enden der Welt zu tragen.

Und was ist der Unterschied zwischen Vision und Mission?

Bleibt nur die Frage zu klären: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem „Vision Statement“ und einem „Mission Statement“? Diese beiden Begriffe werden häufig in einem Zug genannt und noch häufiger miteinander verwechselt. Selbst weltweit bekannte Vision oder Mission Statements wie die von Google, Apple, Coca-Cola oder Starbucks ergeben gemeinsam kein einheitliches Bild davon, was ein Vision Statement ausmacht und was ein Mission Statement. Manche Vision Statements enthalten Leit- und Glaubensgrundsätze, andere Alleinstellungsmerkmale und wieder andere Ansprüche an Führung und Organisation des Unternehmens. Auf der Suche nach einer allgemeingültigen Arbeitsgrundlage wird man jedoch kaum fündig.

Aus Sicht des Zukunftsinstituts beginnt eine Vision stets mit einem Zukunftsbild und wird somit zur Orientierungsgrundlage für die Organisation, sozusagen zu einem Kompass mit klaren Zielsetzungen. Diese Zielsetzungen werden zur Mission (siehe Abbildung). Am Anfang steht also die Entwicklung der Vision (lateinisch „videre“: sehen), ihr folgt die Mission (lateinisch „mittere“: senden). Die Vision meint also eine Erscheinung, ein Bild, die Mission spricht im weiteren Sinne von dem Auftrag im Einzelnen, die Vision umzusetzen.

Dieser Artikel erschien als Gastbeitrag im Kundenmagazin der Agentur MARKATUS, zu dessen Expertenpool ich seit 2011 gehöre.